"Wir brauchen ein klares Bekenntnis der politischen Ebene"

Anna Luise Kiss und Norbert Palz über das HZT und seine Zukunft

Das HZT ist ein Ort, an dem Themen verhandelt werden, die uns als Gesellschaft alle beschäftigen: Die Auseinandersetzung mit Migration, Dekolonialisierung, Diversity war schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt im HZT ganz selbstverständlich und wirkte von dort aus in die Stadt hinein. Woran liegt das?

Anna Luise Kiss: Dafür gibt es viele Gründe. Zentral ist die Konstellation selbst: eine Zusammenarbeit der großen UdK Berlin mit der HfS Ernst Busch, im Übrigen eine ehemalige Ost- und eine ehemalige Westinstitution, mit TanzRaumBerlin als Zusammenschluss der Freien Szene der Stadt. Es ist auch das internationale Netzwerk, in dem das HZT von Anfang an agiert hat. Dadurch wurden Diskurse, die in anderen Ländern schon vor uns angestoßen wurden, sehr früh ins HZT hineingetragen. Das gilt übrigens auch für das wichtige Thema Inklusion. Das HZT ist ein Ort, der seismografisch für uns alle arbeitet.

Norbert Palz:  Wir haben es hier mit Prozessen zu tun, bei denen politische Themen verhandelt und in eine künstlerische Form überführt werden; nicht als Eins-zu-Eins-Übersetzung, aber trotzdem so präzise, dass sie ihren Punkt machen. Es geht darum, kritisch die gesellschaftlichen Herausforderungen zu reflektieren und aus dieser Kritik heraus etwas künstlerisch Eigenständiges zu entwickeln. Das wird in den nächsten Jahren prägend sein für eine künstlerische Praxis – diesen Übersetzungsprozess auch neu und künstlerisch interessant zu machen.


Was macht das Modell des HZT so besonders – im Kosmos der Berliner Hochschullandschaft?

Anna Luise Kiss:  In gewisser Weise ist das HZT eine Blaupause für das, was Berlin als künstlerisches oder auch unternehmerisches Ökosystem braucht. Es zeigt sehr gut, was zwischen Institutionen möglich ist: ein Wachstum in der Qualität.

Norbert Palz:  Das kann man nicht oft genug betonen, dass diese Art von institutionellem Verbund, der hier in Berlin entweder schon gelebt wird oder auf dem Weg dazu ist, ein großes Alleinstellungsmerkmal ist. Auch als mögliche Antwort auf die großen Fragen, mit denen wir aktuell konfrontiert sind. Die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und ihre Transformation über eine künstlerische Praxis in eine rein künstlerische Darstellung oder vermittelnde Interaktion mit der Zivilgesellschaft – das ist der Weg, mit dem wir diese großen Herausforderungen überhaupt bewältigen können. Weil sie mit einer Linearität von Methodiken oder von Denkprozessen bricht.

Anna Luise Kiss:  Da geht es auch um Nachhaltigkeit. Wenn Berlin Vorreiterin bleiben möchte und einen Kulturhauptstadtanspruch hat, dann müssen wir uns noch mehr mit Nachhaltigkeitsfragen auseinandersetzen. Das tun wir in den Künsten und in der künstlerischen Forschung schon eine ganze Weile, indem wir erfahrbares Wissen und Modelle in diesem Themenfeld generieren. Wir tun es aber auch ganz praktisch, indem zum Bespiel für das HZT Ressourcen zusammengelegt wurden und geteilt werden. Es geht um das Teilen von Ressourcen, das Miteinander, die Frage, wie man gemeinsam neue Räume denkt und zusammenführt, um zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen.


Aber das stößt auch an organisatorische und finanzielle Grenzen.

Norbert Palz:  Das HZT hat seine Pilotphase absolviert, und wir sind jetzt an einem Punkt, an dem eine Konsolidierung stattfinden muss. Denn das HZT ist eine von enormem Idealismus getragene Operation. Und dieser Idealismus, der Mut, die Zuversicht und das damit leider einhergehende Sich-selbst-Ausbeuten stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Wenn man den Bericht des HZT anschaut, sieht man, dass das mit einer extremen von den handelnden Akteur*innen getragenen Grenzüberschreitung verbunden ist, die einfach nicht mehr zu tragen ist. Wir brauchen ein klares Bekenntnis der politischen Ebene, auch ökonomischer Natur. Da geht es um die personelle Ausstattung, die in der professoralen Lehre eine Vergleichbarkeit mit anderen deutschen und internationalen Hochschulen herstellen muss. Im Moment ist das nicht der Fall, Berlin liegt 25 Prozent in diesem Bereich zurück. Das Gleiche gilt für die Ausstattung der Administration, nicht zuletzt in Hinblick auf Potenziale für Drittmitteleinwerbungen, zum Beispiel für die Beantragung von internationalen Forschungsprojekten.

Anna Luise Kiss:  Diese intrinsische Motivation ist symptomatisch für die Künste. Mit viel Idealismus in Vorleistung gehen, weit über die eigenen Grenzen hinaus. Leider kommt es vor, dass von Projekten von internationaler Strahlkraft auch im politischen Raum profitiert wird, ohne die entsprechende finanzielle und personelle Unterstützung bereitgestellt zu haben. Das ist auf Dauer nicht akzeptabel, geschweige denn nachhaltig – auch nicht für die Stadt. Das HZT ist übrigens eine der am straffsten organisierten Einrichtungen, die ich kenne. Es ist vorbildlich darin, die verschiedenen Expertisen einzubeziehen – die der Studierenden, der Mitarbeitenden, der Kolleg*innen aus der Administration. Das finde ich bemerkenswert, gerade wenn wir über neue Formen der Leitung von Kunsthochschulen reden. Da werden sich Managementmodelle von Künstler*innenpersönlichkeiten produktiv angeeignet, um bestehen zu können in diesem immer schneller werdenden Rhythmus und den Anforderungen, denen wir ausgesetzt sind.

Norbert Palz:  Es ist auch interessant im Kontext eines größeren Diskurses, der sich zu Fragen nach einer weniger hierarchischen Struktur entspinnt. Das HZT macht das ja nicht als ein Satellit mit einer eigenen Gesetzgebung, sondern in Bezug zur Grundordnung und zu den Berliner Hochschulgesetzen. Aber eben in einer sehr partizipativen Weise.


Was braucht das HZT, um es zu stabilisieren? Was sind die nächsten Schritte?

Anna Luise Kiss:  Unter anderem das, was wir jetzt hier gerade tun: einen Schulterschluss beider Trägerhochschulen. Wir werden versuchen, im Kontext der Hochschulvertragsverhandlungen neben den vielen anderen Themen, die uns in den Hochschulen bewegen, deutlich zu machen, was für eine Bedarfslage wir im HZT haben. Und es sind aus unserer Sicht vergleichsweise moderate Anforderungen, die erfüllt werden müssten, um Stabilität herzustellen.

Norbert Palz:  Wenn die Hochschulverträge in einer Weise geschlossen werden, dass diese Stabilisierung nicht erfolgen kann, dann würde das eine Verkleinerung des Profils mit sich bringen. Und das wäre fatal für den Standort Berlin – das HZT wirkt ja extrem stark in die Stadt hinein, sei es durch Sozialprojekte, Schulprojekte, sei es durch die Auseinandersetzung mit öffentlichem Raum. Die Implikationen wären sofort spürbar. Weil es nicht so viele vergleichbare Institutionen gibt, auch nicht im europäischen Raum.

Dr. Anna Luise Kiss ist seit Oktober 2021 Rektorin der Hochschule der Schauspielkunst Ernst Busch,
Prof. Dr. Norbert Palz ist seit April 2020 Präsident der Universität der Künste Berlin.
Beide Institutionen sind Trägerhochschulen des HZT. Das Gespräch führte Claudia Assmann, Pressesprecherin der UdK Berlin.