(Un)settled. Performance, Schutz und Politiken der Verunsicherung
HTA-Online-Ringvorlesung Wintersemester 2021/22
In der radikalen Selbstfürsorge, der Antidiskriminierung und den antirassistischen körperbasierten Praktiken der Konfliktbewältigung und Heilung ist das settling des Körpers einer der wichtigsten Aspekte, um den Prozess der Rückkehr zum Körper zu beginnen. Auch in performativen und tänzerischen Praktiken ist das settling ein entscheidender Moment in der Arbeit mit dem Körper.
Diese Praktiken des settling the body, so privat und intim sie auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, haben eine (mikro-)politische Bedeutung. Sie legen auch körperbasierte Verbindungen zwischen künstlerischen, sozialen und aktivistischen Praktiken offen. Die Möglichkeit, to settle, ist ungleich verteilt, sodass manche Körper gewaltsam ihrer grundlegenden Fähigkeiten beraubt werden, sich selbst zu erhalten: zu atmen, aufmerksam zu sein, sich in Raum und Zeit einzurichten, usw. Aus dieser Perspektive zeigt sich, dass die Praxis des settling the body als ein verkörperter und viszeraler Prozess mit dem politischen und sozialen Feld verbunden ist. Es scheint das Schlachtfeld verschiedener aktueller Konflikte um den Schutz und die Sicherheit der Körper zu sein, wo einige Körper durch ständige Gewalt, Aufregung und Aggression (sozial, wirtschaftlich, ökologisch) systematisch aus dem Gleichgewicht gebracht werden, während anderen die Fähigkeit to settle im Übermaß angeboten wird.
Die Vortragsreihe fragt nach verschiedenen Aspekten und Dimensionen des Einlebens (in der Welt, in der Gemeinschaft, in Beziehungen, in Umgebungen) sowie nach verschiedenen Modalitäten der Verunsicherung der Körper (durch mangelnden Schutz, aufgrund von Rassismus und Sexismus). Es werden die Folgen der Verweigerung der Bewegungsfreiheit durch Zwangsinhaftierung oder Internierung untersucht, um die Funktionsweise der aktuellen Politik der Unsicherheit durch ihr Wirken auf einer intimen und viszeralen Ebene zu skizzieren.
Ausgehend von diesem soziopolitischen Hintergrund werden die Vorträge auch Fragen zur Rolle künstlerischer Praktiken behandeln. Können Kunst und Performance die körperbasierte Ungleichheit und die ungleiche Verteilung der Fähigkeit, einen Körper zu sein/zu haben, herausfordern? Was braucht es, to settle in the body, um sich im Körper einzurichten und ihn - auch angesichts von Erfahrungen der Ausgesetztheit und des Zerfalls - durch die Beziehung zu anderen aufrechtzuerhalten? Wie kann Performance nicht nur die Normativität und Hierarchie von Verkörperungen in Frage stellen, sondern uns auch auf die Erfahrung von Körpern einstimmen und sensibler machen - to be more settled?