Glossar

Dies ist eine fortlaufende Sammlung von wichtigen Begriffen, die wir in unserer Arbeit verwenden, und einer kurzen Beschreibung, wie wir sie verwenden. Links zu ausführlicheren Definitionen und weiterführender Literatur findet Ihr unter jedem Begriff.

Wenn dir ein Begriff fehlt oder du Anmerkungen hast, freuen wir uns über deine Nachricht an einstein_shk[at]hzt-berlin.de.

A – Z

Ableismus ist eine diskriminierende Haltung, die bestimmte Fähigkeiten in Bezug auf Körper, Leistung, Geschwindigkeit, Denken, Kommunikation, usw. über andere erhebt und öffentliches Leben danach ausrichtet. Menschen, die die meisten dieser Fähigkeiten möglichst gut erfüllen, gelten dann als Norm.

Behinderte, chronisch kranke, Taube und neurodivergente Menschen werden in einer von Ableismus bestimmten Gesellschaft systematisch benachteiligt und ausgeschlossen. Sie bei der Gestaltung von Gebäuden, Veranstaltungen, öffentlichen Verkehrsmitteln, usw. zu berücksichtigen, wird als anstrengende und teure Dienstleistung dargestellt – statt als Selbstverständlichkeit.

Ableismus geht auch einher mit einem medizinischen Verständnis von Behinderung, das die Behinderung in der individuellen Beeinträchtigung oder Abweichung von der sogenannten Norm sieht. Behinderung, chronische Krankheit, Taub-sein oder Neurodivergenz werden dabei als Mängel dargestellt, die die Lebensqualität der Person notwendigerweise reduzieren und daher nach Möglichkeit „repariert/geheilt/korrigiert“ werden müssen.

Dem medizinischen Modell von Behinderung steht das soziale Modell von Behinderung gegenüber, das Behinderung in der ableistischen Benachteiligung durch die Gesellschaft statt in der Person selbst verortet.

Ableismus ist sehr eng mit anderen diskriminierenden Haltungen wie Rassismus, Kolonialismus, Klassismus, Trans*feindlichkeit, Fettfeindlichkeit und Sexismus verwoben.

Ableismus | Diversity Arts Culture (diversity-arts-culture.berlin)

Critical Disability Studies Collective | Terminology

Accessibility (dt. “Zugänglichkeit”)  beschreibt wie gut eine behinderte, chronisch kranke, Taube oder neurodivergente Person einen Ort gesellschaftlichen Lebens selbstständig erreichen, darin wirken oder teilhaben kann – bestenfalls mit der gleichen Leichtigkeit wie eine nicht-behinderte Person.

Auf Deutsch wird stattdessen meist das Wort „Barrierefreiheit“ verwendet. Einige behinderte Personen empfinden dieses Wort als problematisch, da es für gewöhnlich nur auf bestimmte physische Barrieren bezogen ist und eine Veranstaltung mit Rampe am Eingang und einer rollstuhlgerechten Toilette schon als „barrierefrei“ bezeichnet wird. Dabei werden aber die schwerer sichtbaren Barrieren wie Sprache, Temperatur, Lichtverhältnisse, soziale Etikette, usw. nicht ausreichend berücksichtigt.

Ein Access Rider ist ein Dokument, das versucht zu benennen, was die Autor*in des Access Riders braucht, um in einem bestimmten Kontext zu arbeiten, studieren, lehren, usw..

Ein Access Rider kann von jeder Person selbst gestaltet werden und so viel oder wenig persönliche Information beinhalten, wie sie möchte. Während manche Access Rider sehr ausführlich sind und einiges an Aufklärungsarbeit leisten, sind andere sehr pragmatisch und knapp formuliert. Wichtig ist, dass sich der eigene Access Rider (genauso wie die eigenen Bedarfe und Fähigkeiten) immer wieder verändern kann. Also keine Angst auch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis, Projekt oder Studium einen aktualisierten Access Rider zu schicken!

Um zum ersten Mal einen Access Rider zu schreiben, hilft es vielen sich an Beispielen zu orientieren oder einer Anleitung zu folgen, hier ein paar nützliche Links:

Access Rider | Diversity Arts Culture (diversity-arts-culture.berlin)

Access Needs (dt. “Zugangsbedarfe”) beziehen sich auf Bedingungen, die eine Person braucht, um an einen Ort zu gelangen, in ihm wirken oder teilhaben zu können. Das können materielle Bedingungen sein wie zum Beispiel bestimmte Sitzgelegenheiten, einen Ruheraum oder ebenerdigen Zugang. Es können auch nicht materielle Bedingungen sein wie bestimmte Lichtverhältnisse, eine bestimmte Raumtemperatur, Übersetzung, die Verwendung von Leichter Sprache oder einen bestimmten Rhythmus zwischen Aktivität und Pausen.

Access Tools sindbestimmte Werkzeuge, die dazu dienen die Zugangsbedarfe von Menschen zu erfüllen, die in der Gesellschaft noch nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Wichtige Access Tools im Tanz- oder Theaterkontext sind zum Beispiel:

  • Audiodeskription, also die verbale Beschreibung des visuellen Geschehens. Dies ist prinzipiell ein Access Tool für blindes und sehbehindertes Publikum und wird entweder zusätzlich (über dafür vorgesehene Kopfhörer, die auf Anfrage ausgegeben werden) oder im Stück integriert (für alle hörenden Zuschauer*innen im Raum hörbar) verwendet. Traditionell wurde in Theater und Fernsehen eine „objektive“ Beschreibung angestrebt – oft ohne ausreichend über das diskriminierende Potenzial dessen zu reflektieren, was sie als objektive Sprache betrachten. Innerhalb des Felds von Aesthetics of Access arbeiten verschiedene Künstler*innen und Audiodeskriptions-Dramaturg*innen zunehmend mit poetischer, künstlerischer, gezielt subjektiver und persönlicher Beschreibung.
  • Captions/Übertitel, also dass das Gesprochene gleichzeitig in Schriftform in der Originalsprache und/oder als Übersetzung in eine andere Schriftsprache im Raum sichtbar ist. Sie werden im Tanz- oder Theaterkontext oft im oberen Bereich der Bühne projiziert, damit Du sie auch lesen kannst, wenn jemand vor Dir sitzt.
  • Verdolmetschung in Gebärdenspracheoder integrierte Gebärdensprach-Performance, also der gleichzeitige Einsatz von Sprache in Lautsprache und in Gebärdensprache (z.B. DGS). Der Unterschied ist, ob die Lautsprache von einer hörenden Dolmetscher*in live übersetzt wird oder ob eine Taube Gebärdensprach-Performer*in einen Text auf der Bühne gebärdet (mit oder ohne Unterstützung einer hörenden Dolmetscher*in im Moment). Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass bei zweiterem Taube Performer*innen auf der Bühne stehen und dafür bezahlt werden.
  • Relaxed Performances sind Vorstellungen in entspannter Atmosphäre, die die Zugangsbedarfe von Menschen, für die langes Stillsitzen im Theater schwierig ist, berücksichtigen. Es gibt viele Möglichkeiten eine Vorstellung entspannter zu gestalten, zum Beispiel durch aktive Einladung an das Publikum Geräusche oder Bewegungen zu machen oder den Saal zwischendurch zu verlassen. Ein paar Bedingungen, die Vorstellungen mit dem Label „Relaxed Performance“ erfüllen sollten sind: eine Auswahl an gleichwertigen Sitz- und Liegemöglichkeiten für Zuschauer*innen; die Vermeidung bzw. sorgfältige Ankündigung von möglichen Triggern wie lauten Geräuschen oder grellem Licht; einen Rückzugsort/Ruheraum im Gebäude; immer etwas Licht im Publikumsbereich, um sicher den Saal verlassen zu können.

https://www.accesstoolkit.art/ 

Aesthetics of Access bezeichnetkünstlerischePraktiken, in der Access in der Produktion von Anfang an und mit einem künstlerischen Anspruch eingebaut und nicht nachträglich hinzugefügt wird. Eine Bedingung dabei ist, dass behinderte Künstler*innen mit ihrer Expertise am Prozess beteiligt sind.

Aesthetics Of Access | Diversity Arts Culture (diversity-arts-culture.berlin)

Chronisch krank ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die chronisch – also über sehr lange oder unbestimmte Zeit – krank sind und aufgrund dessen durch die ableistische Gesellschaft behindert werden.

Innerhalb der chronisch kranken Community gibt es eine große Bandbreite von Behinderungserfahrungen. Zum Beispiel werden Menschen, die chronische Schmerzen erleben, meist als nicht ausreichend belastbar oder leistungsfähig wahrgenommen, da ihre Schmerzen ihre Konzentrationsfähigkeit oder Beweglichkeit einschränken.

Ein anderes Beispiel sind immunsupprimierte Personen, also Personen deren Immunsystem entweder durch eine Erkrankung oder durch deren medizinische Behandlung unterdrückt wird, und die daher ein höheres Ansteckungsrisiko (z.B. für COVID-19) haben oder ein höheres Risiko für einen schwerwiegenderen Verlauf bei Ansteckung als nicht immunsupprimierte Menschen. Immunsupprimierte Menschen werden durch fehlende Vorsichtsmaßnahmen bei Veranstaltungen oft ausgeschlossen.

Für viele Menschen mit Autoimmun-Erkrankungen - also Krankheiten, bei denen das eigene Immunsystem den eigenen Körper angreift – kann ein sogenanntes „normales“ Stresslevel oder eine „normale“ Belastung zu einem intensiven Krankheitsschub führen, weswegen sie Stresssituationen viel mehr als nicht kranke Menschen vermeiden müssen.

Sehr viele chronische Erkrankungen sind nach heutigem Forschungsstand in der westlichen Medizin nicht heilbar und auch nicht so medizinisch behandelbar, dass der Leidensdruck durch Schmerzen, Entzündungen, Krämpfe, Konzentrationsprobleme, Erschöpfung usw. nachhaltig und zufriedenstellend minimiert werden kann. Umso wichtiger ist es Barrieren für chronisch kranke Personen anzuerkennen und abzubauen.

Crip (dt. “Krüppel”) ist ein Begriff, der historisch verwendet wurde, um behinderte Menschen zu stigmatisieren und zu unterdrücken. Er wurde als Selbstbezeichnung in Teilen der behinderten und chronisch kranken Community angeeignet. Der Begriff darf von nicht-behinderten Menschen daher nur mit eindeutiger Erlaubnis der Community oder der Person, auf die er sich bezieht, verwendet werden.

Glossar – Servicestelle Inklusion im Kulturbereich (inklusion-kultur.de)